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Im Winter rauchen im Motorsport statt Reifen die Köpfe

Bei Reifenhersteller YOKOHAMA wertet man fieberhaft die Erkenntnisse der zurückliegenden Saison aus. Obwohl sich für den Laien so manch ein Pneu von 1960 optisch kaum von
einem aus dem Jahr 2008 unterscheidet sind die Entwicklungssprünge nicht weniger imposant wie bei Motoren oder Aerodynamikkomponenten. „Für den Laien sind alle Reifen schwarz und rund. Das sind aber auch schon fast wieder die einzigen Gemeinsamkeiten“, erklärt Manfred Theisen, Motorsport-Manager bei YOKOHAMA. „Egal ob Materialmischung, Karkassenaufbau, Profil-Design oder Geometrie: Seit der Erfindung des Luftreifens haben sich unzählige Revolutionen abgespielt. Am besten versteht man dies, wenn man sich vor Augen hält, was ein Reifen -insbesondere im Motorsport – zu leisten hat.“

Auf vier Postkarten ums Eck

„Ein Auto kann noch so gut sein, ohne die entsprechende Kraftumsetzung von Leistung und Drehmoment auf den Asphalt nutzt das wenig“, fügt Wolfgang Schiwietz, Leiter Technik und Tuning bei YOKOHAMA hinzu. Man muss sich nur einmal vor Augen führen, dass von einem einzelnen Reifen jeweils nur ein Areal von der Größe einer Postkarte den Boden berührt. „Wenige Quadratzentimeter, die sonst kaum ausreichen, die Urlaubsgrüße an Tante Erna unterzubringen, müssen bei einem Pneu mehrere hundert Kilo Auto und die Konsequenzen aus Lenk-, Brems- und Beschleunigungskräften tragen. Und das nicht nur geradeaus, sondern auch dann, wenn der Fahrer mit Highspeed über die Curbs rauscht oder sich tüchtig in die Kurve wirft. „Hinzu kommt die zusätzliche Achslast durch den Anpressdruck der Spoiler, die beispielsweise bei einem Spitzenfahrzeug der VLN durchschnittlich 500 kg beträgt“, erläutert Theisen.

Bei all diesen
Bewegungsabläufen gilt physikalisch: Das Auto möchte in Folge der Massenträgheit am liebsten in seinem augenblicklichen Zustand verharren, sprich bei möglichst gleich bleibender Geschwindigkeit
geradeaus fahren. Abweichende Manöver müssen dem Fahrzeug deshalb mehr oder weniger aufgezwungen werden, und zwar in letzter Instanz durch die Reifen. Ohne den Grip des Gummis würden die Anstrengung von Lenkung, Bremse und Motor wirkungslos verpuffen.

Soft- und Hardware bestimmen die Reifenperformance

Einen Reifen zu entwerfen, sei es nun für die Rennstrecke oder die Straße, ähnelt ein wenig der Komposition eines Musikstücks: Jede einzelne Note bewirkt einen spürbaren Unterschied und nicht jede Mischung gefällt allen. In jedem Fall müssen Hersteller wie
YOKOHAMA eine Reihe zunächst widersprüchlich erscheinender Eigenschaften unter einen Hut bringen. So soll ein Pneu formstabil sein, Kräfte und Kursänderungen präzise übertragen und das Fahrzeug
stützen, sich gleichzeitig aber auch nachgiebig zeigen. Wie ein Hersteller dies alles in Einklang bringt, ist ein streng gehütetes Geheimnis. Doch so viel lässt sich Theisen in die Karten schauen: „Bereits der Winkel, in dem die Textileinlagen unter der Lauffläche verlaufen, beeinflussen deren Festigkeit und die Geradeauslauf-Eigenschaften“, erläutert er. Es ist aber nicht unser Pneu allein, der die Performance
beeinflusst. Eine gewichtige Aufgabe hat auch der Füllstoff Luft, die unter genügend Druck von der „Software“ zur „Hardware“ mutiert. „Je nach Einsatzzweck und Fahrzeug empfehlen unsere Mitarbeiter den Teams andere Setups. Wir stehen permanent im Dialog“, erklärt Theisen.

Hitze und Schläge als Luftpumpe

YOKOHAMA empfiehlt im Rennsport einen Druck zwischen 1,5 und
1,8 bar. Das hört sich für den Laien niedrig an, man darf jedoch nicht vergessen, dass die enormen Belastungen im Rennbetrieb den Pneu stark erwärmen, wodurch der Innendruck auf 2,0 bis 2,3 bar
anwächst. „Die zahlreichen harten Schläge sowie die warme Abluft der Bremsen wirken wie eine Luftpumpe“, erläutert Theisen. „Deshalb optimieren wir unsere Rennprodukte auf einen Arbeitsbereich zwischen 80 und 100 Grad.“ Physikalisch gesehen steigt einerseits die Griffigkeit des Reifens, weil das Gummi weicher wird, andererseits wölbt er sich stark auf. Infolge verringert sich die Bodenenaufstandsfläche. Dazu kommen viele weitere Faktoren, die es von den Reifenkonstrukteuren
in Betracht zu ziehen gilt: Rennstrecke und Einsatzweck, optimaler Sturz, Vorlieben der Fahrer, Größe und Gewicht des Fahrzeugs, Anzahl der erlaubten Reifenwechsel und vieles mehr. „Bei der Suche nach der richtigen Abstimmung helfen YOKOHAMA-Techniker, die den Teams bei Trainingssitzungen und Rennen mit ihrem Fachwissen jederzeit zur Seite stehen“, fügt Theisen hinzu. Übrigens verändern sich nicht nur die Eigenschaften der „Gummis“ während eines Rennens, sondern auch die Pisten selbst – und dies nicht nur wegen des Wetters. Der Norisring etwa wird nur einmal im Jahr genutzt: Das führt dazu, dass die Griffigkeit des Asphalts zu Rennbeginn eher mau ist, durch den Gummiabrieb mit der Rundenzahl jedoch stark ansteigt.

Eckige Rennreifen

„Schon beim Vergleich der Kontur zwischen dem profillosen Slick und Straßenreifen werden Unterschiede augenfällig. Der Slick verfügt über breitere Schultern, bei ihm ist die Konstruktion darauf ausgelegt, eine möglichst breite Lauffläche auf die Straße zu bringen. Deshalb sind Rennreifen im Winkel zwischen Lauffläche und Seitenwand fast
rechteckig, während die Straßenversion an den Schultern deutlich rundere Konturen aufweist“, so Theisen. Die viel zitierten Bereiche Mischung und Profil sind also längst nicht die einzigen Differenzen.
Sind Straßen- und Rennreifen am Ende doch zwei Welten, die fast nichts gemein haben? „Trotz teilweise unterschiedlicher Anforderungen hinsichtlich Haftung, Komfort, Abriebsfestigkeit oder Wettertauglichkeit der beiden Bereiche gibt es eine beachtliche Schnittmenge“, meint Manfred Theisen. „Der Motorsport ist das ideale Umfeld, um neue Materialien, optimierte Produktionsprozesse oder geänderte Konstruktionen zu testen.“

Weitere Informationen gibt es im Internet unter www.yokohama.de